Wirtschaftsrecht: Durchsetzung eines Anspruchs im gerichtlichen Mahnverfahren

Will ein Gläubiger eine Geldforderung gerichtlich geltend machen, kommen verschiedene Wege in Betracht. Neben einer „normalen“ Klage gibt es einfachere und schnellere Verfahren: Kann der Gläubiger seine Forderung vollständig mit schriftlichen Urkunden belegen, empfiehlt sich unter Umständen ein Urkundenprozess, um rasch an einen Vollstreckungstitel zu gelangen.
Die schnellste und einfachste Möglichkeit ist das gerichtliche Mahnverfahren. Sie ermöglichst es dem Gläubiger, auch ohne mündliche Verhandlung einen Vollstreckungsbescheid zu erlangen. Mit diesem kann der Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreiben, also Forderungen oder Sachen des Schuldners pfänden lassen. Der Gläubiger muss seinen Anspruch im Mahnverfahren weder im Einzelnen begründen, noch eine mündliche Verhandlung durchlaufen. Das Mahnverfahren bietet sich daher an, wenn der Schuldner die Forderung inhaltlich nicht ernstlich bestreitet, sondern lediglich aus Gründen fehlender Liquidität vorläufig nicht bezahlen kann oder will.

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Zustellung binnen weniger Tage nach Erlass – wenn die Anschrift bekannt ist.

 


Vorteile des gerichtlichen Mahnverfahrens

Das Mahnverfahren hat für den Gläubiger unter anderem folgende Vorteile:

  • Es ist kostengünstig, da nur eine 0,5 Gerichtsgebühr anfällt (statt 3,0 Gerichtsgebühren im Klageverfahren).
  • Für Erklärungen und Anträge besteht kein Anwaltszwang, so dass der Gläubiger das Mahnverfahren auch für höhere Forderungen selbst durchführen kann, während im Klageverfahren für Forderungen über 5.000 EUR das Landgericht zuständig ist und daher ein Anwalt beauftragt werden muss.
  • Lässt der Gläubiger den Mahnbescheid durch einen Rechtsanwalt beantragen, fällt für dessen Tätigkeit eine 1,0 Gebühr für die Beantragung des Mahnbescheides und eine 0,5 Gebühr für die Beantragung des Vollstreckungsbescheides an. Die Höhe der Gebühr hängt vom Streitwert ab. Das Mahnverfahren ist damit günstiger als ein streitiges Verfahren, für das ein Anwalt regelmäßig eine 1,3 Verfahrensgebühr und eine 1,2 Terminsgebühr erhält.
  • Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts richtet sich nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Antragstellers – und nicht, wie regelmäßig im Klageverfahren, nach dem Sitz des Beklagten.
  • Der Gläubiger muss den Anspruch zwar konkret bezeichnen, aber nicht inhaltlich im Einzelnen begründen, denn das Gericht überprüft den Antrag nur auf Plausibilität.
  • Der Antragsteller kann durch Zustellung des Mahnbescheides den Ablauf der Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB kurzfristig hemmen, was namentlich am Jahresende bedeutsam werden kann.
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Zahlungsverzögerung: Vertragsstreitigkeiten belasten die Liquidität des vorleistungspflichtigen Unternehmens

 

Nachteile des gerichtlichen Mahnverfahrens

Dem Vorteil des raschen und kostengünstigen Erlasses steht der Nachteil gegenüber, dass der Schuldner seinerseits ohne viel Aufwand Widerspruch einlegen kann. Hierfür genügt ein Ankreuzen auf dem Widerspruchsformular und die Unterschrift. Der Widerspruch braucht nicht begründet zu werden. Ist also damit zu rechnen, dass der Antragsgegner die Forderung bestreitet und Widerspruch gegen den Mahnbescheid einlegt, so empfiehlt sich die unmittelbare Klageerhebung; ansonsten wird die Geltendmachung der Forderung durch das Mahnverfahren nur verzögert. Denn nach einem Widerspruch des Antragsgegners gegen den Mahnbescheid geht das Verfahren in ein streitiges, „normales“ Klageverfahren über.

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Bezifferbare Geldforderungen können im Mahnverfahren geltend gemacht werden.

 

Forderungen im gerichtlichen Mahnverfahren

Der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides kommt nicht für alle Forderungen, sondern nur für die in § 688 Zivilprozessordnung (ZPO) genannten in Betracht:

  • Der Anspruch muss auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme in Euro gerichtet sein;
  • Es darf sich nicht um den Anspruch eines Unternehmers aus einem Vertrag nach §§ 491 bis 504 BGB mit überhöhtem effektiven Jahreszins handeln;
  • Der Anspruch muss entweder unabhängig von einer Gegenleistung sein oder der Gläubiger muss die Gegenleistung bereits erbracht haben;
  • Der Antragsteller muss eine zustellfähige Anschrift – nicht Postfach – des Schuldners angeben; eine öffentliche Zustellung des Mahnbescheides ist nicht zulässig;
  • Der Anspruch muss fällig sein; erst künftig fällig werdende Zahlungsansprüche, zum Beispiel Unterhaltsansprüche, kann der Gläubiger nicht im Mahnverfahren geltend machen.
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Formalisiertes Verfahren: Im Mahnbescheidsantrag bedarf die Forderung keiner inhaltlichen Begründung.

 


Ablauf des gerichtlichen Mahnverfahrens

Das siebte Buch der Zivilprozessordnung (ZPO) regelt die Voraussetzungen und den Ablauf des Mahnverfahrens. Dabei ist grundsätzlich zwischen zwei Konstellationen zu unterscheiden: Ohne einen Widerspruch des Schuldners, läuft das Mahnverfahren von der Antragstellung bis zum Erlass des Vollstreckungsbescheides „automatisch“ durch. Legt der Schuldner dagegen Widerspruch ein, so unterbricht dies faktisch das „eigentliche“ Mahnverfahren und es schließt sich ein „normaler“ Zivilprozess an. Die einzelnen Schritte gestalten sich chronologisch wie folgt:

  • Das Mahnverfahren beginnt mit dem Antrag durch den Anspruchssteller (Gläubiger) beim zuständigen Amtsgericht (Mahngericht).
  • Nach Eingang des Mahnbescheides prüft das Amtsgericht – Mahngericht – den Antrag auf Plausibilität; anschließend erlässt das Amtsgericht den Mahnbescheid und stellt ihn dem Schuldner zu.
  • Legt der Schuldner nicht binnen zwei Wochen nach Zugang Widerspruch ein, so erlässt das Amtsgericht auf Antrag des Gläubigers einen Vollstreckungsbescheid.
  • Der Gläubiger muss bei ausbleibendem Widerspruch darauf achten, dass er den Vollstreckungsbescheid binnen sechs Monaten nach Zustellung des Mahnbescheids beantragt. Andernfalls entfällt die Wirkung des Mahnbescheides;
  • Das Gericht stellt dem Schuldner den Vollstreckungsbescheid zu und informiert hierüber den Gläubiger; auf dieser Grundlage kann der Gläubiger gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung betreiben.
  • Der Schuldner kann gegen den Vollstreckungsbescheid noch einen Einspruch erheben und auf diese Weise eine inhaltliche Klärung der Angelegenheit vor Gericht herbeiführen.
  • Legt der Schuldner Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein, so ist das Mahnverfahren als solches beendet. Wenn der Gläubiger die Abgabe des Verfahrens an das zuständige Streitgericht beantragt und den entsprechenden Gerichtskostenvorschuss (weitere 2,5 Gerichtsgebühren) einzahlt, so schließt sich das „normale“ streitige Verfahren an. Zuständig ist dann allein das Gericht, an welches das Verfahren nach Widerspruch abgegeben wurde („Streitgericht“).
  • Der Antragsteller muss seinen Anspruch binnen zwei Wochen nach Aufforderung des Streitgerichts begründen. Eine solche „Anspruchsbegründung“ entspricht der zivilrechtlichen Klageschrift und muss daher sämtliche Voraussetzungen einer Klage erfüllen (siehe hierzu auch die Checkliste für eine Klageschrift zum Amtsgericht). Insbesondere muss der Kläger also konkrete Anträge stellen, den Sachverhalt mit Beweisangeboten im Einzelnen vortragen und nach Möglichkeit kurz erläutern, unter welchen rechtlichen Gesichtspunkten der Anspruch seiner Auffassung nach begründet ist.

 

Ein Mahnbescheidsantrag hemmt die Verjährung auch großer Forderungen.

Ein Mahnbescheidsantrag hemmt die Verjährung auch großer Forderungen.

 

Effektiver Weg zum Vollstreckungstitel

Bezifferbare Geldforderungen kann ein Gläubiger schnell und kostengünstig im Wege des gerichtlichen Mahnverfahrens geltend machen. Erhebt der Schuldner keinen Widerspruch, so erlangt der Gläubiger auf diesem Wege binnen weniger Wochen einen vollstreckungsfähigen Titel. Damit kann er Sachen und Forderungen des Schuldners pfänden, was in der Regel – sofern der Schuldner nicht insolvent ist – zur Erfüllung der Forderung führt.

Erhebt der Schuldner Widerspruch gegen den Mahnbescheid, schließt sich das normale streitige Verfahren an. Der Gläubiger muss dann seinen Anspruch im Einzelnen begründen und Beweise anbieten. Die Gerichtsgebühr des Mahnverfahrens wird in voller Höhe auf das spätere streitige Verfahren angerechnet. Auch die im Mahnverfahren entstandenen Anwaltsgebühren werden auf die weiteren Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) teilweise angerechnet. Die Beantragung eines Mahnbescheides ist daher eine pragmatische und kostengünstige Alternative zur sofortigen Klageerhebung. Wenn dagegen mit einem Widerspruch des Schuldners zu rechnen ist, kann der Gläubiger einer Forderung auf das Mahnverfahren verzichten und stattdessen sofort eine normale Klage erheben. Wenn der Gläubiger seinen Anspruch auf der Grundlage von Schriftstücken belegen kann, kommt auch ein Urkundenprozess in Betracht, um rasch einen vollstreckungsfähigen Titel zu erlangen. Im Urkundenmahnverfahren können die beiden Verfahrensarten miteinander verbunden werden.

 

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Ablauf des Mahnverfahrens1“ von HT23Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.

 

 

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