Vorläufige Suspendierung wegen Dopingverstoßes

Im Falle eines Dopingverstoßes sehen viele Anti-Doping-Ordnungen die Möglichkeit einer vorläufigen Suspendierung vor. Diese gilt nach Bekanntwerden des Dopingverstoßes für den Zeitraum zwischen dem Ausspruch einer vorläufigen Suspendierung bis zur endgültigen Entscheidung in einem Disziplinarverfahren.

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Ergebnismanagement durch die Nationale Anti-Doping Agentur

Viele Verbände haben die Ermittlungen („Ergebnismanagement“) im Falle eines Dopingverstoßes auf die NADA übertragen. In diesem Fall ist die NADA regelmäßig auch für die vorläufige Suspendierung zuständig.

Zwingende und fakultative vorläufige Suspendierung

Nach Vorbild des Anti-Doping-Codes der NADA ist zwischen einer zwingenden und einer optionalen (fakultativen) Suspendierung zu unterscheiden. Während etwa in bestimmten Fällen einer positiven A-Probe (wenn diese nicht auf einer spezifischen Substanz beruht) zwingend eine vorläufige Suspendierung auszusprechen ist, ist in anderen Fällen eine vorläufige Suspendierung nach einer Ermessensentscheidung möglich. In diesem Fall hat der zuständige Verband oder die NADA die widerstreitenden Interessen abzuwägen. In Betracht zu ziehen sind insbesondere die Auswirkungen einer im Nachhinein unbegründeten vorläufigen Suspendierung für den Athleten, etwa ob ihm dadurch unwiederbringliche Nachteile drohen. Dem ist das Interesse aller anderen Beteiligten auf Chancengleichheit und Fairplay gegenüber zu stellen. Bei dieser Abwägung sind etwa die Schwere des vorgeworfenen Verstoßes gegen Anti-Doping-Bestimmungen, der Grad des Verschuldens des Athleten sowie die zu erwartende Sanktion zu berücksichtigen.

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Teilnahme trotz vorläufiger Suspendierung

Versucht ein Sportler trotz vorläufiger Suspendierung an einem Wettbewerb teilzunehmen, so müsste der Veranstalter dies verhindern. Bedeutsam ist jedoch, dass die Veranstalter überhaupt von der vorläufigen Suspendierung erfahren. Dies müsste der jeweilige Verband durch eine effektive Informationsübermittlung – etwa mittels einer Datenbank – sicherstellen. Nimmt ein Sportler trotz fehlender Teilnahmeberechtigung an einem Wettbewerb teil, so dürften seine Ergebnisse nicht in die Wertung einfließen. Gewonnene Preise oder Preisgelder müsste er zurückgeben. Strafrechtlich könnte der Athlet einen Hausfriedensbruch begehen, wenn ihm der Veranstalter ausdrücklich die Teilnahme und in der Konsequenz auch die Anwesenheit untersagt.

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Zugleich sollte jeder Verband sicherstellen, dass eine physisch erteilte Lizenz („Ausweis“) im Falle einer vorläufigen Suspendierung zurückgegeben werden muss. Insoweit sollte ein ähnliches Verfahren greifen wie bei einem Fahrverbot oder der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis: Auch dort muss der Delinquent seinen Führerschein abgeben. Allerdings dient die Abgabe des physischen Ausweispapiers nur der Absicherung. Inhaltlich darf die Teilnahmeberechtigung des Athleten natürlich nicht davon abhängen, ob er seine Lizenz zurückgegeben hat oder nicht. Vielmehr entfällt allein aufgrund der vorläufigen Suspendierung die Teilnahmeberechtigung.

Über die Voraussetzungen und den Ablauf im Falle einer vorläufigen Suspendierung bei einem bekannt gewordenen, möglichen Dopingverstoß sprach der Deutschlandfunk (DLF) im Interview mit dem Stuttgarter Sportrechtler Dr. Marius Breucker aus der Kanzlei Wüterich Breucker am 29. Juli 2017:

http://www.deutschlandfunk.de/sportrecht-datenbank-fuer-alle-veranstalter-waere-sinnvoll.1346.de.html?dram:article_id=392319

Bundesgerichtshof: Schadensersatzklage Claudia Pechsteins gegen ISU unzulässig

Mit Urteil vom 7. Juni 2016 (Az. KZR 6/15) wies der Bundesgerichtshof die Klage der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein gegen den Eisschnelllauf-Weltverband International Skating Union (ISU) als unzulässig ab. Ihr stehe, so der Bundesgerichtshof in seiner Urteilsbegründung, die von der ISU erhobene Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit entgegen.

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Von Bjarte Hetland – Own work, CC BY 3.0, Link

Schiedsvereinbarung zwischen Verband und Athletin

Wenn sich Parteien in einer Schiedsvereinbarung auf eine Streitschlichtung durch ein Schiedsgericht geeinigt haben, so tritt das Schiedsgericht unter den Voraussetzungen der Zivilprozessordnung oder des jeweils maßgeblichen ausländischen Rechts an die Stelle der staatlichen Gerichtsbarkeit. Die Athletin hatte mit der ISU im Vorfeld der Eisschnelllauf-Weltmeisterschaften 2009 in Hamar in Norwegen eine Schiedsvereinbarung getroffen. Demnach sollten sämtliche Streitigkeiten auch im Zusammenhang mit Doping vor dem Court of Arbitration for Sport (CAS) als dem Internationalen Sportschiedsgericht abschließend verhandelt und entschieden werden.

Dopingsanktionsverfahren des Weltverbandes ISU

Wenige Wochen nach der Weltmeisterschaft in Hamar hatte die ISU gegen Claudia Pechstein ein Dopingsanktionsverfahren wegen auffälliger Blutwerte eingeleitet. Die ISU ging davon aus, dass die schwankenden und teilweise über dem Grenzwert liegenden Werte an jungen roten Blutkörperchen (Retikulozyten) eine Folge der Einnahme des auf der Verbotsliste stehenden Erythropoietin (EPO) seien. Die Athletin berief sich unter Vorlage von Sachverständigengutachten darauf, dass die Werte Folge einer Anomalie seien. Die ISU-Disziplinarkommission hielt diese Möglichkeit für unwahrscheinlich und verlangte von der Athletin, einen Entlastungsnachweis zu führen. Claudia Pechstein lehnte dies unter Hinweis auf die Beweislast des Verbandes ab. Daraufhin verhängte die Disziplinarkommission mit Beschluss vom 1. Juli 2009 eine zweijährige Sperre. Gegen diese Entscheidung rief die Athletin den CAS an und berief sich dort auf weitere Sachverständigengutachten, die es für unwahrscheinlich oder (nahezu) unmöglich hielten, dass die auffälligen Blutwerte durch EPO hervorgerufen sein könnten. Der CAS war anderer Auffassung: Gestützt auf Auszüge aus der Expertise des von der ISU beauftragten Sachverständigen hielt er es für hinreichend wahrscheinlich (Überzeugung zur „comfortable satisfaction“), dass die auffälligen Blutwerte auf Blutdoping zurückzuführen seien und bestätigte die zweijährige Dopingsperre mit Schiedsspruch vom 25. November 2009.

Verfahren vor dem Schweizerischen Bundesgericht

Die Athletin focht den Schiedsspruch des CAS vergeblich vor dem Schweizerischen Bundesgericht an: Zunächst hatte sie die Aufhebung des Schiedsspruchs wegen Verfahrensmängeln beantragt. Sie berief sich unter darauf, dass das Schiedsgericht einen ihrer Schriftsätze mit relevantem Vortrag zur Erklärung der Blutanomalie nicht zur Akte genommen und bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt habe. Das Bundesgericht konnte darin und in anderen gerügten Verstößen gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens keine Gründe für die Aufhebung des Schiedsspruchs erkennen. Darüber hinaus beantragte die Athletin eine Wiederaufnahme des Verfahrens und berief sich auf ein erst nach dem Schiedsspruch bekannt gewordenes Messverfahren als neues Beweismittel. Es war – nach zwischenzeitlich von mehreren internationalen Experten bestätigter Auffassung – nachgewiesen worden, dass die von der ISU als Indiz für Doping herangezogenen Blutwerte (erhöhte Retikulozyten) ihre Ursache in einer vom Vater ererbten Blutanomalie hatten. Das Schweizerische Bundesgericht lehnte den Antrag mit dem Hinweis ab, die Frage der Blutanomalie sei bereits im Schiedsverfahren diskutiert worden und Gegenstand der dortigen Beweisaufnahme gewesen.

Schadensersatzklage vor dem Landgericht München I

Vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Thomas Summerer, Simon Bergmann und Dr. Christian Krähe verklagte Claudia Pechstein im Dezember 2012 sowohl die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) als auch die ISU auf Schadensersatz. Da die DESG ihren satzungsmäßigen Sitz in München hat, nahm die Athletin beide Verbände vor dem Landgericht München I in Anspruch.

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Von Die Autorenschaft wurde nicht in einer maschinell lesbaren Form angegeben. Es wird Bubo bubo als Autor angenommen (basierend auf den Rechteinhaber-Angaben). – Die Autorenschaft wurde nicht in einer maschinell lesbaren Form angegeben. Es wird angenommen, dass es sich um ein eigenes Werk handelt (basierend auf den Rechteinhaber-Angaben)., CC BY-SA 3.0, Link

Mit Urteil vom 26.02.2014 (Aktenzeichen 37 O 28331/12) wies das Landgericht München I die Schadensersatzklage der Athletin ab. Zugleich stellte es fest, dass die getroffene Schiedsvereinbarung unwirksam sei, da die Athletin diese Vereinbarung nicht freiwillig unterzeichnet habe. Vielmehr sei sie hierzu gezwungen gewesen, da sie andernfalls nicht an der von der ISU veranstalteten Eisschnelllauf-Weltmeisterschaft hätte teilnehmen können. Da im internationalen Sport jeweils nur ein Fachverband für die Ausrichtung von Weltmeisterschaften zuständig ist (Ein-Platz-Prinzip), habe die ISU eine monopolartige Stellung inne und dürfe diese nicht dazu missbrauchen, eine ihr günstige Schiedsvereinbarung abzuschließen. Dies sei aber der Fall: Vor dem CAS können Schiedsrichter ausschließlich aus einer geschlossenen Liste ernannt werden.

Der für die Ernennung der Schiedsrichter zuständige International Council of Arbitration for Sport (ICAS) besteht überwiegend aus Vertretern der Spitzensportverbände und der Olympischen Komitees. Diese stellen zwölf der zwanzig Vertreter. Vier Vertreter im Gremium können von Athletenseite benannt werden, während weitere vier individuelle Vertreter von den sechzehn zunächst bestellten Gremienmitgliedern ausgewählt werden. Zwar hat jede Seite die Möglichkeit, einen Schiedsrichter zu nennen. Die Schiedsrichter müssen jedoch aus der genannten geschlossenen Liste stammen. Damit sei, so das Landgericht, nicht auszuschließen, dass bei einem Athleten der Eindruck entstehe, die Schiedsrichter seien nicht gänzlich neutral, sondern fühlten sich eher den Verbänden als den Sportlern verpflichtet. Dieser Eindruck genüge, um eine Befangenheit der Schiedsrichter zu begründen, selbst wenn objektiv kein Zweifel an der Neutralität bestünde.

Das Landgericht München I wies die Schadensersatzklage trotz der seiner Auffassung nach unwirksamen Schiedsvereinbarung mit der Begründung ab, dass sich die Athletin nach bereits durchgeführtem Schiedsverfahren nicht mehr nachträglich auf die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung berufen könne. Vielmehr hätte sie dies schon vor oder während des Schiedsverfahrens tun müssen. Wer sich vorbehaltlos auf ein Schiedsverfahren einlasse, könne nicht dann, wenn ein ungünstiges Ergebnis herauskomme, nachträglich die Unwirksamkeit der zugrundeliegenden Schiedsvereinbarung einwenden.

Berufungsverfahren vor dem Kartellsenat des Oberlandesgerichts München

Während das Urteil des Landgerichts im Verhältnis zu der von Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker (Stuttgart) vertretenen DESG rechtskräftig wurde, legte die Athletin gegen die ISU Berufung ein. Der Kartellsenat des Oberlandesgerichts München entschied zunächst nur über die Zulässigkeit der Klage. Die Zulässigkeit war vorab zu klären und von grundlegender Bedeutung, da die Klage bei Wirksamkeit der zugrundeliegenden Schiedsvereinbarung unzulässig wäre, so dass nicht in eine Sachprüfung eingetreten werden könnte. Mit Urteil vom 15. Januar 2015 (Aktenzeichen U 1110/14 Kart) entschied das Oberlandesgericht München, dass die Klage zulässig sei: Die zugrundeliegende Schiedsvereinbarung sei unwirksam, da sie gegen Kartellrecht verstoße. Insbesondere liege ein Verstoß gegen § 19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vor: Die ISU habe ihre marktbeherrschende Stellung als Monopolverband missbräuchlich ausgenutzt, um eine ihr günstige Schiedsvereinbarung mit der Zuständigkeit des Court of Arbitration for Sport abzuschließen.

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Das Oberlandesgericht München stellte wesentlich darauf ab, dass der für die Zusammenstellung der Schiedsrichterliste zuständige Ernennungsausschuss ICAS überwiegend von Vertretern des Internationalen Olympischen Komitees, der Nationalen Olympischen Komitees und der Internationalen Sportverbände gewählt werde. Diese stellen zwölf Vertreter. Lediglich vier Vertreter und damit ein Fünftel werden mit Blick auf die Wahrung der Interessen der Athleten gewählt. Weitere vier Vertreter – also wiederum ein Fünftel – sollen auf Personen entfallen „die unabhängig von den für die Vorschläge der anderen Schiedsrichter verantwortlichen Personen sind“. Die Verfahrensordnung des CAS bringt damit zum Ausdruck, dass ein Fünftel der gewählten Vertreter die Interessen der Athleten im Blick haben. Lediglich einem Fünftel wird die Eigenschaft zugesprochen, unabhängig von den internationalen Sportorganisationen einerseits und den Athleten andererseits zu sein. Diese Zusammenstellung erweckt aus Sicht des Oberlandesgerichts Zweifel an der Unabhängigkeit und Neutralität des Gremiums, welches für die Zusammenstellung von unabhängigen und neutralen Schiedsrichtern Sorge tragen soll. Da es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelte, ließ das Oberlandesgericht die Revision über das Zwischenurteil zur Zulässigkeit der Klage zu.

Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof

Mit Urteil vom 7. Juni 2016 wies der Bundesgerichtshof die Klage als unzulässig ab. Er stützte seine Entscheidung darauf, dass die ISU zwar eine marktbeherrschende Stellung inne habe, diese jedoch nicht missbräuchlich ausgenutzt habe. Für die Annahme eines „Missbrauchs“ bedürfe es einer Abwägung der widerstreitenden Interessen. Dabei sei nicht lediglich auf die Berufsfreiheit und den Justizgewährungsanspruch der Athletin abzustellen, sondern auch auf die Verbandsautonomie der ISU. Zwar hätten die Sportverbände und Olympischen Komitees bei Besetzung des CAS-Ernennungsausschusses für die Schiedsrichterliste ein Übergewicht. Ob darin ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liege, sei durch eine Abwägung der jeweiligen Interessen zu ermitteln.

BGH: Gleichlauf der Interessen

Der Bundesgerichtshof sah in der ungleichen Zusammensetzung des Ernennungsausschusses ICAS keine Gefährdung der Neutralität und Unabhängigkeit des Schiedsgerichts: Grundsätzlich sei die Dopingbekämpfung insgesamt im Interesse des Sports und damit sowohl des Verbandes als auch der Sportler. Es gebe, so der Bundesgerichtshof, streng genommen also gar keinen Interessenkonflikt, da alle Beteiligten im Kampf gegen Doping vereint seien. Ein Übergewicht der Verbände bei der Besetzung der Schiedsrichterliste sei vor diesem Hintergrund nicht Ausdruck eines Missbrauchs einer machtbeherrschenden Stellung.

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Diese Begründung stieß in der Literatur auf Zustimmung (Adolphsen, Legal Tribune Online vom 07.06.2016), aber auch auf Kritik. Der Annahme eines Interessengleichlaufs zwischen Verband und Athlet in Dopingsanktionsverfahren widersprach etwa der Bayreuther Kartellrechtler Professor Dr. Peter W. Heermann (NJW 2016, 2224 ff). mit dem Hinweis, dass die Rollen von Kläger (Verband) und Beklagten (Athleten) in Dopingsanktionsverfahren klar verteilt seien. Die Verbände müssen – nicht immer zu ihrer Freude und vollen Überzeugung – jedem Dopingfall in ihrer Sportart nachgehen und entsprechende Sanktionen verhängen. Unterlassen sie dies, drohen ihnen auf Basis des Welt-Anti-Doping-Codes Sanktionen durch Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Auch wenn es sich um Zivilrecht handelt, ähnelt ein Dopingsanktionsverfahren strukturell in vielen Punkten einem Strafverfahren. Jedenfalls wird ein des Dopings beschuldigter Athlet nicht auf den Gedanken kommen, im konkreten Verfahren bestünde ein Gleichlauf seiner Interessen mit denen des ihn verklagenden Verbandes. Der Bundesgerichtshof hebt denn auch in seiner Begründung nicht auf das konkrete Verfahren, sondern auf eine abstrakte Betrachtung ab: Verbände einerseits und Athleten andererseits stünden sich nicht im Sinne zweier, „grundsätzlich als von gegensätzlichen Interessen geleitete[r] Lager“ gegenüber. Vielmehr hätten die internationalen Sportverbände teilweise durchaus unterschiedliche Interessen.

In Dopingsanktionsverfahren allerdings besteht ein grundsätzliches Interesse der Verbände, einen aufgetretenen Dopingfall aufzuklären und Verstöße zu sanktionieren. Dies ergibt sich – schon aufgrund der Vorgaben des Welt-Anti-Doping-Codes – auch aus den Satzungen der Sportverbände, an denen sie ihr Verhalten auszurichten haben. Der Bundesgerichtshof sieht dies im Ergebnis auch so, wenn er sagt, dass die Verbände „in Dopingfällen durchaus gleichgerichtete Interessen vertreten“. Dieses Interesse decke sich, so der BGH, jedoch grundsätzlich mit den Interessen der Athleten an einem dopingfreien Sport. Bei dieser Betrachtung stellt der BGH nicht auf die Interessen der Beteiligten eines streitigen Schiedsverfahrens ab, sondern macht – mehrere Abstraktionsebenen höher – das allgemeine Interesse an einem fairen, wettbewerbsgleichen und damit auch dopingfreien Sport zum Gegenstand der Betrachtung und Bewertung. Bei der Beurteilung eines Interessengegensatzes, der zu einem Ungleichgewicht in der Besetzung eines Schiedsgerichts führen kann, müsste nach Heermann (NJW 2016, 2224, 2225) stattdessen auf die konkrete Konstellation abgestellt werden. Denn übergeordnet und abstrakt wird man immer gemeinsame Interessen finden, etwa das grundsätzlich zu bejahende Interesse zweier Vertragspartner an der Verwirklichung des Vertragszwecks. Demnach sollte nicht auf das in dieser Allgemeinheit von jedermann bejahte Interesse an einem sauberen Sport abgestellt werden, wenn sich in einem Dopingsanktionsverfahren Verband und Athlet aufgrund der unterschiedlichen Rollenverteilung kontradiktorisch gegenüberstehen.

Verfahrensordnung des CAS

Der Bundesgerichtshof führt in seinem Urteil aus, dass das Übergewicht der Sportorganisationen durch die Verfahrensordnung des CAS ausgeglichen werde, die eine Unabhängigkeit und Neutralität der jeweiligen Schiedsrichter gewährleiste. Jede Partei könne aus der Schiedsrichterliste einen ihr geeignet erscheinenden Schiedsrichter wählen. Jeder Schiedsrichter muss auf etwaige Aspekte hinweisen, die zu seiner Befangenheit führen könnten. Auch unabhängig von solchen Hinweisen ist jede Partei berechtigt, einen Schiedsrichter wegen Befangenheit abzulehnen. Befangenheit bedeutet dabei nicht, dass ein Schiedsrichter parteiisch ist; vielmehr genügt schon der subjektive Eindruck, es könne ihm an Neutralität fehlen, um eine Befangenheit zu begründen und die Ablehnung des Schiedsrichters zu rechtfertigen.

Ernennung des Schiedsgerichtsvorsitzenden

Der BGH schrieb in seiner Pressemitteilung vom 7. Juli 2016, die von dem Athleten einerseits und dem Verband andererseits ernannten Schiedsrichter könnten gemeinsam den Obmann des Schiedsgerichts bestimmen. In diesem Punkt widerspricht die in der Pressemitteilung veröffentlichte Begründung des Bundesgerichtshofs der Verfahrensordnung des CAS: Artikel 54 Abs. 3 CAS Code sieht vor, dass in Berufungsverfahren vor dem CAS (nach erstinstanzlicher Verbandsentscheidung) der Vorsitzende des Schiedsgerichts durch den Präsidenten der CAS-Berufungskammer (eine Verwaltungseinheit des CAS) ernannt wird. So war es auch in der Causa Pechstein. Da auch der Vorsitzende der Berufungskammer durch den Ernennungsausschuss ICAS ernannt wird, hat diese auf die Auswahl des Vorsitzenden des Schiedsgerichts einen bestimmenden Einfluss.

In der Urteilsbegründung erwähnt der Bundesgerichtshof, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts durch den Präsidenten der Berufungsabteilung ernannt werden kann, der seinerseits durch einfache Mehrheit des ICAS gewählt wird. Der Bundesgerichtshof geht in seiner Begründung jedoch davon aus, diese Möglichkeit bestünde nur, „wenn sich die Streitparteien insoweit nicht einigen“. Artikel 54 Abs. 3 CAS Code sieht indes eine solche Möglichkeit zur Einigung durch die Schiedsparteien nicht vor. Vielmehr wird der Vorsitzende in Berufungsverfahren grundsätzlich durch den Präsidenten der Berufungsabteilung ernannt. Der Person des Vorsitzenden kommt für das Schiedsverfahren entscheidende Bedeutung zu. Es überrascht daher, dass der Bundesgerichtshof die Frage der Ernennung des Vorsitzenden nicht thematisiert und offensichtlich von einer falschen Prämisse ausgeht (so Lorenz, Legal Tribune online vom 06.07.2016). Denn in seiner Begründung geht er ausführlich darauf ein, dass die Unabhängigkeit und Neutralität des Schiedsgerichts dadurch gewährleistet sei, dass beide Seiten einen Schiedsrichter ernennen können. Allein der Umstand, dass die Schiedsrichter aus einer vom ICAS zusammengestellten Liste gewählt werden müssten, begründe noch keine Disparität des Schiedsgerichts. Mit dieser Argumentation müsste der Bundesgerichtshof aber zum gegenteiligen Ergebnis kommen, wenn er berücksichtigte, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts nicht von beiden Parteien, mithin nicht paritätisch ernannt wird, sondern von einem direkt vom ICAS bestimmten Vertreter. Denn wenn im ICAS der organisierte Sport ein Übergewicht hat, so gilt dies auch für den vom ICAS ernannten Präsidenten der Berufungsabteilung. Dieser kann durch die Auswahl des Vorsitzenden bestimmenden Einfluss auf das Schiedsverfahren nehmen.

Freiwilligkeit der Schiedsvereinbarung

Der Bundesgerichtshof bejaht die Freiwilligkeit der Schiedsvereinbarung. Zwar seien die Athleten als Voraussetzung für die Teilnahme an Sportwettbewerben gezwungen, die Schiedsvereinbarung zu unterzeichnen. Diese Fremdbestimmtheit sei aber nicht mit „Unfreiwilligkeit“ gleichzusetzen. Dies folge schon daraus, dass der Gesetzgeber mit Streichung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. zum Ausdruck gebracht habe, dass die Ausnutzung einer wirtschaftlichen oder sozialen Überlegenheit einer Partei nicht zu Nichtigkeit des Schiedsvertrages führen müsse. Zudem seien auch die Verbände aufgrund der Vorgaben des Welt-Anti-Doping-Codes gezwungen, eine Schiedsvereinbarung abzuschließen. Heermann (NJW 2016, 2224, 2225 f.). kritisiert, dass die feinsinnige Unterscheidung zwischen „Unfreiwilligkeit“ und „Fremdbestimmtheit“ im Gesetz und in Rechtsprechung und Literatur keine hinreichende Grundlage finde. Aus dem Umstand, dass auch der Verband zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung gezwungen sei, könne nicht auf die Freiwilligkeit des Athleten geschlossen werden. Auch § 11 Anti-Doping-Gesetz (ADG) helfe, so Heermann, nur bedingt: Zwar sei dort die Möglichkeit des Abschlusses von Schiedsvereinbarungen vorgesehen. Über die Frage der Freiwilligkeit treffe § 11 ADG jedoch keine Aussage. Auf die dahin gehende Gesetzesbegründung allein könne nicht abgestellt werden, wenn und soweit diese im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze finde.

BGH: (Grund-) Rechte der Athleten hinreichend gewahrt

Im Ergebnis sieht der Bundesgerichtshof die Rechte der Athletin gewahrt. Dies folge auch daraus, dass der unterlegene Athlet gegen den Schiedsspruch das Schweizerische Bundesgericht anrufen könne. Damit sei dem Justizgewährungsanspruch nach Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz genüge getan, denn dieser verlange nicht, dass ein Athlet deutsche Gerichte anrufen könne, wenn er sich zuvor einem internationalen Schiedsgericht unterworfen habe.

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Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs ist der zivilrechtliche Instanzenzug in Deutschland auch im Verhältnis zur ISU abgeschlossen. Der Athletin bleibt die Möglichkeit, gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einzulegen.

Nach dem Zwischenurteil des Oberlandesgerichts München beantwortete der Stuttgarter Rechtsanwalt Marius Breucker aus der Kanzlei Wüterich Breucker im Interview mit dem Deutschland (DLF) die Fragen von Astrid Rawohl:

http://www.kooperationsportrecht.de/beitrag_dlf.htm

Das Disziplinarverfahren des Weltverbandes ISU gegen Claudia Pechstein und das anschließende Schiedsverfahren vor dem Internationalen Sportschiedsgericht CAS in Lausanne gaben Anlass für Reformüberlegungen sowohl hinsichtlich der Organisation des CAS als Schiedsgericht als auch hinsichtlich des sportrechtlichen Schiedsverfahrens:

http://www.prmaximus.de/107855

Deutscher Richterbund plädiert für internationales Regelwerk für den Sport

In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes vom 27. Februar 2015 sprach sich der Deutsche Richterbund (DRB) für ein umfassendes, nationales, europäisches und internationales Regelwerk für den Sport aus. Der DRB verwies in seiner Stellungnahme auf die Bedeutung des Profisports als Wirtschaftszweig mit Milliardenumsätzen. Aufgrund dessen sei eine klar konturierte Kontrolle der Entscheidungen von Sportverbänden wie von Sportgerichten durch staatliche Gerichte erforderlich. Da Sport weltweit betrieben werde, müssten auch weltweit einheitliche Regeln gelten. Dies gelte namentlich – aber nicht nur – für Verstöße gegen Anti-Doping-Vorschriften. Unterschiedliche Regelungen, aber auch die unterschiedliche Handhabung vergleichbarer Regelungen, führten zu einer uneinheitlichen und letztlich willkürlichen Rechtspraxis, die mit Blick auf die Rechte der betroffenen Sportler auch rechtsstaatlich bedenklich sei.

 

Berlin, Mitte, Kronenstraße 73-74, Wohn- und Geschäftshaus 01.jpg

Die Geschäftsstelle des DRB in der Kronenstraße „Berlin, Mitte, Kronenstraße 73-74, Wohn- und Geschäftshaus 01“ von Beek100Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.

 

 

Die Forderung nach einem international vereinheitlichten Berufsrecht des Sports wird unter Sportrechtsexperten seit längerem diskutiert. Auf dem Stuttgarter Sportgespräch im Januar 2014 und auf dem Deutschen Richter- und Staatsanwaltstag in Weimar im April 2014 hatte der Stuttgarter Sportrechtler Marius Breucker die Erarbeitung eines international vereinheitlichten Berufsrecht des Sports vorgeschlagen (http://www.stuttgarter-sportgespraech.de/sixcms/detail.php?template=ssg_default_detail&id=1046540). Langfristige Aufgabe des Sportrechts sei ein „international einheitliches rechtliches Regime unter Beteiligung sowohl der Sportverbände als auch staatlicher Regierungen“. Breucker verwies auf die 2005 verabschiedete UNESCO-Konvention gegen Doping und den Welt Anti-Doping Code. Diese Dokumente wie vergleichbare Ansätze auf europäischer Ebene zeigten, dass ein international harmonisiertes Regelwerk geschaffen werden könne. Dabei müsse es sich, so der Stuttgarter Anwalt, nicht zwangsläufig um einen völkerrechtlichen Vertrag handeln. Das Beispiel des Welt Anti-Doping Codes zeige, dass auch in einer internationalen Public Private Partnership aus Staaten und Sportorganisationen effektive Kodifizierungen entstehen können.

 

Nach langjährigen Diskussionen: Bundestag soll "Anti-Doping-Gesetz" beraten.

Nach langjährigen Diskussionen: Bundestag soll „Anti-Doping-Gesetz“ beraten.

 

Arbeitsrecht im Sport

Der Deutsche Richterbund hält es für notwendig, „die Rechtsverhältnisse von Sportlern mit ihren Vereinen und Verbänden als arbeitsrechtliche Verträge anzuerkennen und unter das deutsche und europäische Arbeitsrecht zu stellen.“ Bei dieser Forderung fällt auf, dass nicht nur die Rechtsverhältnisse von Mannschaftssportlern, sondern offenbar auch die von Einzelsportlern als Arbeitsrechtsverhältnisse eingeordnet werden sollen. Dies überrascht mit Blick auf die herkömmliche Definition eines Arbeitnehmers, die neben einer Weisungsgebundenheit auch eine Betriebseingliederung verlangt. Ein Einzelsportler, der sein Training und seine Wettkampfteilnahme selbst organisiert, ist auch dann, wenn er Mitglied eines Vereins ist, regelmäßig weder den Weisungen des Vereins unterworfen noch in dessen betriebliche Abläufe integriert.

 

 

Causa Müller gegen Mainz 05

Anders verhält es sich bei Mannschaftssportlern, die in einer Vereinsmannschaft an einem regelmäßigen Trainings- und Wettkampfbetrieb in Form von Liga- und Pokalwettbewerben teilnehmen. Dort wird auch nach herkömmlicher Definition kaum zu bezweifeln sein, dass es sich um Arbeitnehmer handelt, für die sämtliche arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften gelten. Dies bestätigte das Arbeitsgericht Mainz jüngst in der „Causa Müller“: Der Torwart des Fußball-Bundesligisten FSV Mainz 05, Heinz Müller, hatte geltend gemacht, die Befristung seines Arbeitsvertrages sei unwirksam. Er konnte sich dabei nach Auffassung der Mainzer Richter auf die Regelungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes stützen, die eine Befristung ohne Sachgrund nur einmalig für einen Zeitraum von zwei Jahren zulassen. Da der Vertrag mit Müller aber über diese Laufzeit hinausging, wäre für die Befristung ein Sachgrund erforderlich gewesen, der im konkreten Fall nicht vorlag. Dies hatte zur Folge, dass das Beschäftigungsverhältnis unbefristet galt. Der FSV Mainz 05 hat gegen das Urteil Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt.

 

 

Sportler als Arbeitnehmer 

Der Richterbund fordert die Geltung des Arbeitsrechtes auch im Verhältnis zwischen Sportler und Sportverbänden. Dies erscheint vor dem Hintergrund problematisch, dass die Athleten – namentlich die Mannschaftssportler – regelmäßig nur in die Abläufe ihres Vereins, nicht aber in die des Verbandes eingebunden sind. Jedenfalls solange sich das Rechtsverhältnis des einzelnen Sportlers gegenüber dem Verband auf die Beantragung und Erteilung einer Lizenz beschränkt, sind die herkömmlichen Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses – Weisungsgebundenheit und Betriebseingliederung – nicht erfüllt. Anderes mag gelten, wenn und soweit ein Sportler regelmäßig an Trainingslehrgängen und Wettbewerben teilnimmt, die vom Verband ausgerichtet werden. Auch insoweit geht die herrschende Rechtsprechung bislang aber davon aus, dass mit einer kurzfristigen Teilnahme etwa an einem Länderspiel noch kein Arbeitsverhältnis zwischen dem einzelnen Sportler und dem Verband begründet wird. Vielmehr bleibt der Sportler Arbeitnehmer seines Vereins und wird auf dessen Weisung hin vorübergehend an einem anderen Arbeitsort tätig. Hintergrund ist, dass die Vereine gegenüber den Verbänden wiederum vertraglich oder satzungsrechtlich verpflichtet sind, Spieler zu Lehrgängen und Wettkämpfen der Nationalmannschaft abzustellen.

 

 

Schiedsfähigkeit von Sportler-Arbeitsverträgen

Unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsrechtes fordert der Deutsche Richterbund die Klarstellung, dass die im Sport üblichen Schiedsgerichtsverfahren nicht für arbeitsrechtliche Streitigkeiten gelten können. Dies entspricht der Regelung des § 101 Arbeitsgerichtsgesetz, der arbeitsrechtliche Streitigkeiten von einer Schiedsvereinbarung ausnimmt. Eine Alternative wäre, in einem Tarifvertrag die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zu vereinbaren. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Gesetzgeber in § 101 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz neben Künstlern auch professionelle Sportler in den Katalog der Berufsgruppen aufnimmt, die durch Tarifvertrag die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vereinbaren können. Hieran fehlt es bislang. Dabei wäre der Abschluss von Tarifverträgen durchaus eine Option, den Besonderheiten des professionellen Sports auf vielen Feldern Rechnung zu tragen. Dies gilt nicht nur für die Schiedsgerichtsbarkeit: Auch die Befristung von Arbeitsverträgen ohne Sachgrund über die Dauer von zwei Jahren hinaus könnte durch Tarifvertrag geregelt werden. Dadurch könnten sportspezifische Regelungen geschaffen werden, ohne dass die grundsätzliche Geltung des Arbeitsrechts in Frage gestellt würde.

 

 

Fließende Grenze: Ernährung, Ergänzung, Ertüchtigung... - Doping?

Fließende Grenze: Ernährung, Ergänzung, Ertüchtigung… – Doping?

 

 

Parallelität von sportrechtlichen und staatlichen Verfahren 

Der Deutsche Richterbund geht in seiner Stellungnahme auf das Verhältnis zwischen den sportrechtlichen Verfahren vor Schiedsgerichten einerseits und zeitgleichen staatlichen Ermittlungsverfahren und Strafverfahren ein. Da in beiden Verfahrensarten unterschiedliche Verfahrensregeln und Beweisgrundsätze gelten, müsste das Verhältnis der Prozesse zueinander geklärt werden. Es bestehe ein „Gefälle zwischen der Ausgestaltung der Verfahrensordnung des Sportrechts […] und den Schutzgarantien der Strafprozessordnung“. Dies sei die zwangsläufige Folge der Besonderheiten der sportrechtlichen Verfahren „mit einer Einschränkung der Unschuldsvermutung durch eine Beweislastumkehr und mit einem faktischen Einlassungszwang“ für den Sportler. Demgegenüber stünden die Schutzgarantien der Strafprozessordnung für den Beschuldigten, die es zu wahren gelte. Es bestünden daher Bedenken gegen einen Transfer der in sportrechtlichen Verfahren erlangten Einlassungen und Aussagen der Athleten in einen Strafprozess. Der Deutsche Richterbund weist aber zugleich einen Weg zur Lösung dieser Frage: Der Gesetzgeber könne, vergleichbar zu Angaben des Beschuldigten aufgrund verwaltungs- und insolvenzrechtlicher Auskunftspflichten ein Verwertungsverbot statuieren. Demnach dürften nicht sämtliche Einlassungen eines Sportlers aus einem sportgerichtlichen Verfahren in einem Strafprozess verwertet werden.

 

 

Präjudiz für staatliches Strafverfahren?

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) äußert in seiner Stellungnahme zum Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes vom Februar 2015 Bedenken: Wenn ein Athlet vom Verband gesperrt, vom staatlichen Strafgericht aber freigesprochen würde, wäre dies eine Vorlage für einen Schadensersatz des Athleten gegen den Verband. Der DAV befürchtet, dass sich „das Strafgericht zur Vermeidung dieses Resultates das Ergebnis der Beweiswürdigung durch das Schiedsgericht entgegen seiner Aufklärungspflicht zu eigen macht“.

 

Gesetzbuch-Schönfelder_Anti_Doping_Gesetz

Bundesregierung: Anti-Doping-Kampf ins Gesetzbuch

 

Der DAV geht in seiner Stellungnahme nicht darauf ein, dass auch nach derzeitiger Rechtslage sportgerichtliche Sanktionsverfahren und staatliche Strafprozesse parallel verlaufen: So kann etwa die Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung ermitteln, wenn ein Spieler einen anderen durch ein grobes Foul verletzt hat. Dies hindert die Sportgerichtsbarkeit nicht, den Spieler wegen einer Roten Karte zu sperren. Bislang ist nicht bekannt, dass ein Strafrichter die Spielsperre durch den Sportverband unbesehen übernommen und den Betroffenen auf dieser Grundlage verurteilt hätte, um eine Diskrepanz zwischen sportgerichtlichem und staatlichem Verfahren zu vermeiden. Auch der Umstand, dass ein zivilrechtliches Verfahren anders ausgeht als ein Strafverfahren, ist tägliche Praxis. Es ist nicht ersichtlich, dass sich Strafrichter in ihrer Entscheidung davon leiten lassen, ob im Falle eines Freispruchs Schadensersatzansprüche des Beschuldigten möglich sind. Zudem bedeutet ein Freispruch im Strafverfahren aufgrund der hohen Beweisanforderungen und des Grundsatzes „in dubio pro reo“ nicht, dass ein anschließender, zivilrechtlicher Schadensersatzprozess aussichtsreich wäre. Vielmehr muss der Betroffene in jedem Einzelfall die Voraussetzungen eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs darlegen und beweisen. Der bloße Freispruch im Strafverfahren hilft ihm dabei nicht.

 

 

Schiedsvereinbarungen zwischen Verbänden und Sportlern 

Der Deutsche Richterbund äußert sich auch zur geplanten Regelung im Anti-Doping-Gesetz, wonach Sportler und Sportverbände Schiedsvereinbarungen schließen können. Der DRB (http://www.drb.de/cms/index.php?id=899) hält es nicht für zwingend, in einem Anti-Doping-Gesetz das sportrechtliche Verfahren mit einer ausdrücklichen Anerkennung von Schiedsgerichten aufzuwerten. Jedenfalls müsse die Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen im Sport im Hinblick auf rechtsstaatliche Mindestanforderungen sorgfältig geprüft werden. Dies gelte nicht zuletzt mit Blick auf das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 15. Januar 2015: Das Gericht hatte im Schadensersatzprozess der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein gegen den Eisschnelllauf-Weltverband (ISU) Schiedsvereinbarungen für unwirksam erklärt, wenn sie zur Voraussetzung der Teilnahme an eine Wettbewerb des Monopolverbandes gemacht werden und den Internationalen Sportschiedsgerichtshof (Court of Arbitration for Sport) in seiner jetzigen Ausgestaltung als letzte Schiedsgerichtsinstanz vorsehen.

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Diese Auffassung teilt auch der Deutsche Anwaltverein: Nachdem das Oberlandesgericht München bereits Anforderungen an die Besetzung und die Unabhängigkeit von Schiedsgerichten formuliert habe, solle man die Beurteilung des Bundesgerichtshofs in diesem Falle abwarten. Es sei durchaus möglich, dass noch weitere Vorgaben für Schiedsvereinbarungen im Sport gemacht würden. So müssten aus Sicht des DAV internationale Schiedsverfahren strukturell und institutionell so ausgestaltet sein, dass sie rechtsstaatlichen Anforderungen genügen.

 

 

Kodifizierung des Sportrechts

Der Deutsche Richterbund begrüßt im Grundsatz – bei konkreten Verbesserungsvorschlägen im Einzelfall – eine gesetzliche Regelung zur Bekämpfung des Dopings. Zugleich macht er deutlich, dass der Gesetzgeber mit Blick auf den Regelungsbedarf im Sportrecht „ein eher nachrangiges Problem“ aufgegriffen habe. Das geplante Anti-Doping-Gesetz könne „eine umfassende rechtliche Regelung des Sports nicht ersetzen“. Der Deutsche Richterbund spricht damit den Umstand an, dass zahlreiche gesetzliche Regelungen nicht (mehr) zum heutigen Profisport passen. So verstoßen etwa Sportler bei internationalen Sportwettbewerben regelmäßig gegen arbeitsrechtliche Schutzvorschriften, etwa die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes. Auch die Probleme beim Abschluss von Schiedsvereinbarungen oder die verbandsrechtlichen Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit belegen den grundlegenden Regelungsbedarf. Diesen Aspekt thematisierten der Sportredakteur Tobias Schall und die Anwälte Christoph Wüterich und Marius Breucker in ihrem Debattenbeitrag unter dem Titel „Raus aus dem Schatten“ in der Stuttgarter Zeitung im Januar 2015. Ziel müsse ein „internationaler Code des Sports sein, der Standards und Rahmenbedingungen des modernen Sports festlegt“, so die Stuttgarter Autoren.

 

Anti-Doping-Kampf: Gesetzgeber will die Zuschauerrolle verlassen.

Anti-Doping-Kampf: Gesetzgeber will die Zuschauerrolle verlassen.

Der Deutsche Richterbund schlägt in seiner Stellungnahme über eine solche Kodifizierung hinaus vor, dass sich die Spitzenverbände aller Sportarten „überzeugenden Compliance-Regelungen zur Bekämpfung der Korruption in den eigenen Reihen unterworfen und sich notwendigen Ermittlungsverfahren der Strafverfolgungsbehörden stellen“. Dies sei notwendig, um dem Sport über die Bekämpfung des Dopings hinaus einen wirksamen rechtlichen Rahmen zu geben. Die Debatte um ein zeitgemäßes Recht des Sports ist mit dem Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes, so scheint es, erst eröffnet.

„Auch Sportler wollen nicht ins Gefängnis!“ – Reaktionen auf das geplante Anti-Doping-Gesetz

Der Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes der Bundesregierung sieht erstmals vor, dass auch die dopenden Sportler selbst bestraft werden. Erklärte Dopinggegner wie der erfolgreiche Radprofi Marcel Kittel erhoffen sich von dieser Regelung einen weiteren Schritt zur Effektivierung des Anti-Doping-Kampfes. Der Stuttgarter Sportrechtler und Anti-Doping-Anwalt Marius Breucker sieht im Gesetz, wenn es denn in Kraft treten sollte, erhebliches Abschreckungspotential. Zugleich weist er auf die unterschiedlichen Beweismaßstäbe im staatlichen und sportrechtlichen Verfahren hin und schlägt die Ergänzung des Gesetzes um eine Kronzeugenregelung vor.

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Die ARD-Tagesthemen vom 11. November 2014 stellten den Gesetzesentwurf vor und sammelten erste Reaktionen aus Sport, Recht und Politik: „Deutschland zählt zwar zu den führenden Sportnationen der Welt, das ist klar, aber in einer Disziplin ist der deutsche Gesetzgeber bislang noch nicht aus den Startblöcken gekommen. Das Thema Doping wird hier zulande zwar ziemlich lautstark diskutiert, nach Meinung vieler aber die Nutzung illegaler Substanzen zu lasch verfolgt und vor allem zu wenig bestraft. So müssen sich Dopingsünder allenfalls vor Sportgerichten verantworten, nicht aber vor dem Strafrichter. Das soll sich jetzt ändern: Die Bundesregierung plant ein Gesetz, mit dem nicht mehr nur die Hintermänner der Dopingmafia bestraft werden, sondern auch die dopenden Spitzensportler selbst. Ein Bericht von Jochen Gräbert:

Er raste von Sieg zu Sieg, Sprinter Marcel Kittel bei der Tour de France. Erfolgreich und garantiert nicht gedopt, sagt er. Denn Kittel gehört zur Generation junger Radprofis, die Doping offen bekämpfen. Entsprechend freut er sich über die Nachricht, dass Dopingsünder im Profisport künftig sogar mit Gefängnisstrafen rechnen müssen.

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Marcel Kittel: „Es geht darum, die sauberen Sportler zu schützen und diejenigen zu verfolgen, die den Sport am Ende in ein schlechtes Licht rücken. Ein wichtiger Punkt ist auch, klar zu machen, dass Doping Betrug ist und dementsprechend verfolgt werden kann.“ Bundesjustizminister Maas hat das Anti-Doping-Gesetz gemeinsam mit Athleten und Verbänden entwickelt, war oft vor Ort, wie bei der Tour de France in Paris. Das Gesetz soll nicht nur bestrafen.

Marius Breucker: „Es hilft schon allein aufgrund der Abschreckung: Auch Sportler wollen nicht ins Gefängnis! – Und die Wahrscheinlichkeit entdeckt zu werden steigt, wenn der Staat ermittelt“.

Doch lässt sich Doping überhaupt gerichtsfest beweisen? Sportgerichten reicht allein die Dopingprobe, Strafrichtern nicht. Und um Ausreden waren Athleten selten verlegen. Beispiel: 5.000 Meter Champion Dieter Baumann. Der vermutete, jemand habe ihm die Substanz in seine Zahnpastatube gespritzt. Oder Radprofi Jan Ulrich: Der wollte nachts in der Disco eine Pille zugeworfen bekommen haben.

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Marius Breucker: „Im Strafrecht muss die Strafbarkeit mit einem strengen Beweismaßstab nachgewiesen werden. Es kann also weiterhin sein, dass jemand im staatlichen Strafverfahren frei gesprochen wird, während er im sportrechtlichen Verfahren verurteilt wird. Es gilt ein anderer Beweismaßstab.“

Während die Sportverbände das geplante Gesetz grundsätzlich begrüßen, kommt Kritik von den Grünen vor allem daran, dass allein der Besitz von Dopingmitteln schon strafbar sein soll.

Renate Künast: „Die ganze nationale Drogenpolitik ist gescheitert damit, dass sie einfach den Besitz von jedem einzelnen Gramm und jeder einzelner Pille strafbar macht. Hier wird das aber wiederholt. Also, es macht keinen Sinn, einfach für alle Staatsanwälte die Türen zu öffnen und jedes Gramm schon im Besitz strafbar zu machen. Wo ist denn da der Unrechtsgehalt?“

Besonders harte Strafen drohen Dopingärzten und anderen Hintermännern. Wer Gesundheitsschäden insbesondere von minderjährigen Sportlern riskiert, dem drohen bis zu zehn Jahren Haft. Die Drogenmafia gilt als Schweigekartell. Um das zu durchbrechen, braucht man Beteiligte, die auspacken. Experten fordern deshalb eine Kronzeugenregelung.

Marius Breucker: „Es wäre meines Erachtens konsequent, wenn man auch im staatlichen Anti-Doping-Gesetz eine solche Kronzeugenregelung aufnehmen würde. Denn nur über die Aussagen von Kronzeugen kommt man letztlich in dieses abgeschottete System des Dopings – das haben ja die Aussagen von Kronzeugen in der Vergangenheit schon gezeigt.“

Und nur dann würde der Traum von Marcel Kittel wohl wirklich in Erfüllung gehen: Siegen in einem sauberen Sport, in dem alle die gleichen Chancen hätten.“

(Zitat-Quelle: ARD Tagesthemen vom 11. November 2014, Link: www.tagesthemen.de).

Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form der vorliegende Entwurf Gesetz wird. Noch stehen Stellungnahmen von Verbänden und Expertenanhörungen aus. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat angekündigt, Modifikationen vorzuschlagen. Vielfach angesprochen wurde auch eine Präzisierung der Regelungen zu Schiedsvereinbarungen: § 11 des Entwurfs sieht vor, dass Athleten und Verbände Schiedsvereinbarungen treffen können, wenn diese die Beteiligten „in Organisationen einbinden und die organisierte Sportausübung insgesamt ermöglichen, fördern oder sichern.“ Darin liegt noch keine eindeutige Aussage über die Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen als zwingende Voraussetzung für die Teilnahme an Sportwettbewerben. Das Oberlandesgericht München hat im Schadensersatzprozess von Claudia Pechstein gegen den Eisschnelllauf-Weltverband die Zulässigkeit solcher Schiedsvereinbarungen unter Verweis auf das Kartellrecht verneint. Es hat ein entsprechendes Zwischenurteil erlassen und zugleich die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, damit diese Frage geklärt werden kann. Unabhängig vom weiteren Verlauf des Verfahrens wäre eine eindeutige Regelung des Gesetzgebers wünschenswert.

Korsett oder Katalysator ? – Gedanken zur Rolle des Rechts im Sport

Zur Bedeutung des Rechts im Sport

Dient das Recht dem Sport oder bedient sich das Recht des Sports? Gemeinsam mit den Stuttgarter Anwälten Marius Breucker und Christoph Wüterich diskutierte der Sportredakteur des Deutschlandfunks Herbert Fischer-Solms diese und andere grundlegende Fragen des Sportrechts. Das Verhältnis von Sport und Recht – so der Ausgangspunkt – ist ambivalent: Einerseits soll der Sport spielerisch ausgestaltet und unterhaltend sein. Er soll daher möglichst frei von förmlichen Rechtsfragen und juristischen Kautelen sein. Andererseits erhebt gerade der Sport den Anspruch, gerechte Ergebnisse als Ausdruck des den Sport tragenden Fair-Play-Prinzips zu generieren.

 

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Korsett oder Katalysator ? – Gedanken zur Rolle des Rechts im Sport.

 

„Verlorener Kampf“? – Greifen die sportrechtlichen Instrumente gegen Doping?

Doping stellt die Chancengleichheit und damit die Grundlage des Sports in Frage. Folgerichtig spielen im Wettbewerb um Preis- und Werbegelder Anti-Doping-Vorschriften eine immer bedeutsamere Rolle. „Wer Sport treibt, muss die Antidopingreglements kennen“, sagt der Stuttgarter Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker aus der Kanzlei Wüterich Breucker. „Das gilt für den Profi wie für den Freizeitsportler“. Denn auch ein unachtsam eingenommenes Medikament oder Nahrungsergänzungsmittel kann Doping sein und zur Disqualifikation im Wettbewerb und einer anschließenden Sperre führen.

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Breucker engagiert sich seit Jahren im Anti-Doping-Kampf, unter anderem als Anwalt der Welt Anti-Doping Agentur. Aber ist der Kampf gegen Doping nicht schon verloren? Zu diesem Fazit kommt der Tübinger Sportwissenschaftler Professor Dr. Helmut Digel in seinem Buch „Verlorener Kampf“. Die entscheidenden Beteiligten seien an einer wirklichen Aufklärung und Bekämpfung nicht interessiert, schreibt Digel: „Es muss deshalb von einem verlorenen Kampf gesprochen werden“. Auch der Heidelberger Molekularbiologe Professor Dr. Werner Franke kritisiert den Anti-Doping-Kampf in Deutschland: Es fehle eine juristische Herangehensweise an das Doping-Problem wie es die US-Anti-Doping-Agentur USADA etwa gegenüber Lance Armstrong gezeigt habe, sagte Franke im ZDF-Morgenmagazin. Demgegenüber will IOC-Präsident Dr. Thomas Bach den Anti-Doping-Kampf verschärfen: „Wir wollen die Kontrollen noch intelligenter gestalten“, versprach Bach in einem Interview mit den Fränkischen Nachrichten. „Der Schwerpunkt muss sich weiter auf die Zeiten außerhalb des Wettkampfes verschieben!“ forderte Bach. Welche juristischen Instrumente stehen dem Sport für den Anti-Doping-Kampf überhaupt zur Verfügung? An welchen rechtlichen Stellschrauben kann und muss gedreht werden, um den Kampf gegen die „Hydra“ Doping zu führen?

„Grundgesetz“: Welt Anti-Doping Code

Die 1999 von Sportorganisationen und staatlichen Regierungen gegründete Welt Anti-Doping Organisation (WADA) verfasste und beschloss den Welt Anti-Doping Code (WADC). Dieses „Weltgrundgesetz des Dopings“ trat 2004 in Kraft und regelt die Grundlagen des Anti-Dopingkampfes. Es definiert „Doping“ nicht nur als Einnahme verbotener Medikamente oder Anwendung verbotener Methoden, sondern etwa auch als Umgehung eines Tests oder als Manipulation des Dopingkontrollsystems. Auf eine konkrete Leistungssteigerung kommt es dabei nicht an. Der Code regelt, wer den Dopingverstoß beweisen muss, wie eine Dopingprobe zu nehmen und zu analysieren ist und welche Sanktionsverfahren und Rechtsmittel sich daran anschließen. Zugleich setzt er die wesentlichen technischen und medizinischen Standards für die oft komplexen Verfahren.

Grundgesetz: Welt Anti-Doping Code

„Bedenkt man, wie schwer sich internationale Organisationen oft mit verbindlichen Verträgen tun, ist der in kurzer Zeit geschaffenen Welt Anti—Doping Code ein fast schon sensationeller Erfolg!“ so Anwalt Marius Breucker zuletzt auf dem Deutschen Richter- und Staatsanwaltstag in Weimar. Dick Pound, langjähriger Präsident der WADA, sieht im Welt Anti-Doping Code trotz aller Schwierigkeiten ein wirkungsvolles Instrument: Die spektakulären Entdeckungen und Verurteilungen der letzten Jahre, etwa der Fall des US-Radsportlers Lance Armstrong, hätten gezeigt, was eine gute und seriöse Anti-Doping Agentur erreichen könne. „Das ist eine Bestätigung des Systems“, so Pound gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Transformation in Anti-Doping-Ordnungen

Wie aber wirkt der Welt Anti-Doping Code? Die nationalen und internationalen Sportverbände sind verpflichtet, die Vorgaben des WADC in ihre eigenen Verbandsordnungen umzusetzen. Auf diese Weise werden die Regelungen des Welt Anti-Doping Codes in die einzelne Sportart transformiert und erlangen Verbindlichkeit gegenüber jedem einzelnen Sportler: „Der Mechanismus ähnelt der Umsetzung einer EU-Richtlinie“, erläutert Anwalt Marius Breucker. Die Verbände müssen die Vorgaben des WADC aber nicht nur in ihre Anti-Doping-Ordnungen schreiben; sie müssen auch dafür Sorge tragen, dass der einzelne Athlet an diese Ordnung rechtswirksam gebunden ist. Die Verbände schließen hierzu regelmäßig Lizenz- oder Athletenvereinbarungen mit den Sportlern. Die WADA überwacht die Einhaltung der Vorgaben des Welt Anti-Doping Codes und rügt säumige Verbände. Zugleich ist sie Kompetenzzentrum für medizinische und organisatorische Fragen und unterstützt in dieser Funktion die Verbände, die nationalen Anti-Doping-Organisationen und die von ihr weltweit akkreditierten biochemischen Labore. Auch den einzelnen Athleten steht sie als Ansprechpartner zur Verfügung. So nahmen die Rechtsanwälte Marius Breucker, Christoph Wüterich und Matthias Breucker in ihrer Stuttgarter Kanzlei im Auftrag der WADA die Aussagen zahlreicher „Doping-Kronzeugen“ entgegen.

Nationaler Anti-Doping Code

Als weltumspannende Organisation kann die WADA nur die Basis schaffen und Koordinationsarbeit leisten. In den einzelnen Ländern organisieren die nationalen Anti-Doping Agenturen („NADAs“) den Anti-Doping-Kampf. Sie agieren rechtlich und organisatorisch selbständig, sind also keine „Filialen“ der WADA. In Deutschland erlässt die Nationale Anti-Doping Agentur (NADA) den Nationalen Anti-Doping Code (NADC). Dieser ist wiederum von den deutschen Sportverbänden umzusetzen. Schon bei ihrer Gründung im Jahr 2002 hob der Sportrechtler Professor Dr. Ulrich Haas die Bedeutung der NADA für den gesamten Sport hervor: „Sportpolitisch ist die NADA das größte und interessanteste Projekt seit langer Zeit“. Nach anfänglichen Schwierigkeiten aufgrund unzureichender materieller und personeller Ausstattung, fasste die NADA nach und nach Tritt. „Die Rolle der NADA hat sich in den letzten Jahren gewandelt“, erläutert Marius Breucker: Ursprünglich hatte sie die Aufgabe, die Vorgaben des Welt Anti-Doping Codes in Deutschland umzusetzen, den nationalen Anti-Dopingkampf zu koordinieren und Verbände und Sportler zu beraten. In den letzten Jahren übernahm die NADA darüber hinaus operative Aufgaben: Sie führt für viele Sportverbände Trainings- und Wettkampfkontrollen und das „Ergebnismanagement“ durch. Das heißt, sie ermittelt bei aufgetretenen Verdachtsfällen und führt im Falle eines Dopingverstoßes ähnlich einer „Anklagebehörde“ das gesamte Disziplinarverfahren durch. Die Auslagerung der Kontrollen auf die NADA wird überwiegend begrüßt. Gleichwohl konnten etwa im Jahr 2013 in 8.106 Trainingsproben nur 50 Mal verbotene Substanzen gefunden werden. Bei einer solchen Quote von 0,04 % stellt sich die Frage, ob das System greift. Andererseits heben Anti-Dopingkämpfer auch die abschreckende Wirkung der Kontrollen hervor.

Die Aktivitäten und Mahnungen der NADA werden den Sportlern bisweilen auch zu viel: So kritisierte 800-Meter-Olympiasieger Nils Schumann die Fokussierung auf den Anti-Doping-Kampf. Er befürchtet dadurch eine schwindende Attraktivität etwa der Leichtathletik für die Jugend: „Ich habe manchmal den Eindruck, dass Themen wie der Anti-Doping-Kampf einen viel höheren Stellenwert haben als die Nachwuchsförderung“, sagte Schumann in einem Interview mit dem Internet-Portal „www.trainingsworld.de“. Schumann stellt die Stoßrichtung seiner Aussage klar: „Natürlich spielt der Kampf gegen Doping eine wichtige Rolle, aber ich habe das Gefühl, die Relationen gehen verloren.“ Andererseits belegen die spektakulären Dopingfälle und die Geständnisse mehrerer „professioneller“ Doper die Bedeutung des Problems für den Sport und die Notwendigkeit seiner effektiven Bekämpfung.

Anti-Doping-Verfahren

Anti-Doping-Verfahren

Sollte sich ein Dopingverdacht erhärten, folgt ein Dopingsanktionsverfahren. Dieses kann zu einer Sperre des Sportlers führen, ist aber rechtstechnisch kein „Strafverfahren“: Da die NADA eine privatrechtliche Stiftung ist, richtet sich ihr Rechtsverhältnis zum einzelnen Athleten nach dem Zivilrecht. Das sportgerichtliche Anti-Doping-Verfahren unterscheidet sich aber in vielerlei Hinsicht von einem „normalen“ Zivilprozess: Regelmäßig verhandelt über einen Dopingfall zunächst ein verbandsinternes Disziplinarorgan („Disziplinarkommission“ oder „Verbandssportgericht“). Gegen dessen Entscheidung kann der Unterlegene Rechtsmittel einlegen. Denkbar ist der Weg vor ein staatliches Zivilgericht. In der Regel schließen der Verband und der Sportler aber die staatliche Gerichtsbarkeit in einer Schiedsvereinbarung aus und einigen sich auf die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts. Der Unterlegene kann dann etwa das Deutsche Sportschiedsgericht bei der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) anrufen. Es wurde 2008 gegründet und ist ein echtes Schiedsgericht im Sinne der Zivilprozessordnung. Das Sportschiedsgericht trifft auf nationaler Ebene die abschließende Entscheidung. In Dopingverfahren schreiben der Welt Anti-Doping Code und der Nationale Anti-Doping Code als letzte Rechtsmittelinstanz zwingend den Internationalen Sportschiedsgerichtshof – Court of Arbitration for Sport (CAS) – in Lausanne vor. Die Athleten müssen also bis zu einer endgültigen Entscheidung unter Umständen drei Instanzen durchlaufen. Dies kann zu langwierigen Verfahren führen. Der oft betonte Vorteil der Sportschiedsgerichtsbarkeit, schnell zu einer Entscheidung zu gelangen, wird so nicht immer eingelöst.

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„Auslagerung“ der Verfahren

Viele Sportverbände sparen sich mittlerweile ein verbandsinternes Verfahren und sind dazu übergegangen, bereits die erstinstanzliche Zuständigkeit auf das Deutsche Sportschiedsgericht zu übertragen. „Dies hat für die Verbände mehrere Vorteile“, erläutert Marius Breucker: „Zum einen entlasten sie sich organisatorisch, wenn die oft aufwendigen Verfahren nicht mehr von eigenen Verbandsorganen geführt werden müssen. Zudem reduzieren sie ihr Haftungsrisiko.“ Die Causa Pechstein hat gezeigt, dass sich ein Verband im Falle einer Dopingsperre Schadensersatzklagen beeindruckenden Ausmaßes ausgesetzt sehen kann. Das Haftungsrisiko wird reduziert, wenn der Verband die Ermittlungen auf die NADA und das anschließende Verfahren auf das Deutsche Sportschiedsgericht auslagert. Gerade in medizinisch und juristisch komplizierten Dopingfällen können die Verbände die Expertise der NADA und der DIS nutzen. „Die Arbeitsteilung ist Ausdruck der zunehmenden Professionalisierung der sportrechtlichen Verfahren“, sagt Breucker, der selbst als Schiedsrichter am Deutschen Sportschiedsgericht tätig ist.

Anhaltende Herausforderung für den Sport

Der Sport muss sich dem Anti-Doping-Kampf stellen, ob er will oder nicht. Zunehmend treten staatliche Akteure auf den Plan, um dem Dopingproblem mit Gesetzen und hoheitlichen Befugnissen zu begegnen. Da der Sport manches weder leisten kann noch leisten will, wird er dieser Unterstützung auch bedürfen. Die Frage ist, ob er dauerhaft eine eigene Kompetenz in der Dopingbekämpfung bewahren kann. Im Kampf gegen Doping verteidigt der Sport nicht nur seine Werte, sondern auch seine Autonomie. Die rechtlichen Instrumente – so umstritten sie im Detail sind – liegen mit dem Welt Anti-Doping Code, dem Nationalen Anti-Doping Code und den entsprechenden Verbandsregelwerken und Schiedsordnungen vor. Entscheidend kommt es auf deren Umsetzung an. Inhaltlich sind für den Ausgang der sportrechtlichen Ermittlungen nicht zuletzt intelligente Testverfahren und wissenschaftliche valide Nachweismethoden maßgeblich. Daran wird sich der Sport messen lassen müssen. Denn die professionellen Doper sind immer auf dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik. Eine Chance liegt in den indirekten Nachweismethoden, namentlich den individuellen Blutprofilen. Anwalt Christoph Wüterich sieht darin einen entscheidenden Ansatz. Denn damit können individuelle Abweichungen vom „normalen“ Blutbild eines einzelnen Athleten ermittelt und auf Dopingrelevanz überprüft werden. Gerade beim indirekten Nachweis müssen aber „strenge rechtsstaatliche Standards gewahrt werden“, mahnt Marius Breucker, will man nicht die Legitimation des Anti-Dopingkampfes in Frage stellen. Mediziner und Juristen bleiben gefordert.

 

Weitere Informationen zum Thema sind zu finden unter:

http://www.wueterich-breucker.de/blog/p/breucker-anti-dopingkampf-durch-sportverbandsrecht-und-staatliches-recht,

auf der Webseite des Deutschlandfunks:

http://www.deutschlandfunk.de/anti-doping-gesetz-deutschland-macht-ernst.1346.de.html?dram:article_id=298851,

oder als Audio-Datei unter:

http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2014/09/28/dlf_20140928_1929_677a5a64.mp3

 

Anwalt Marius Breucker: "Sport muss auch im Kampf gegen Doping rechtsstaatliche Standards wahren"

Anwalt Marius Breucker: „Sport muss auch im Kampf gegen Doping rechtsstaatliche Standards wahren“