In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes vom 27. Februar 2015 sprach sich der Deutsche Richterbund (DRB) für ein umfassendes, nationales, europäisches und internationales Regelwerk für den Sport aus. Der DRB verwies in seiner Stellungnahme auf die Bedeutung des Profisports als Wirtschaftszweig mit Milliardenumsätzen. Aufgrund dessen sei eine klar konturierte Kontrolle der Entscheidungen von Sportverbänden wie von Sportgerichten durch staatliche Gerichte erforderlich. Da Sport weltweit betrieben werde, müssten auch weltweit einheitliche Regeln gelten. Dies gelte namentlich – aber nicht nur – für Verstöße gegen Anti-Doping-Vorschriften. Unterschiedliche Regelungen, aber auch die unterschiedliche Handhabung vergleichbarer Regelungen, führten zu einer uneinheitlichen und letztlich willkürlichen Rechtspraxis, die mit Blick auf die Rechte der betroffenen Sportler auch rechtsstaatlich bedenklich sei.
Die Forderung nach einem international vereinheitlichten Berufsrecht des Sports wird unter Sportrechtsexperten seit längerem diskutiert. Auf dem Stuttgarter Sportgespräch im Januar 2014 und auf dem Deutschen Richter- und Staatsanwaltstag in Weimar im April 2014 hatte der Stuttgarter Sportrechtler Marius Breucker die Erarbeitung eines international vereinheitlichten Berufsrecht des Sports vorgeschlagen (http://www.stuttgarter-sportgespraech.de/sixcms/detail.php?template=ssg_default_detail&id=1046540). Langfristige Aufgabe des Sportrechts sei ein „international einheitliches rechtliches Regime unter Beteiligung sowohl der Sportverbände als auch staatlicher Regierungen“. Breucker verwies auf die 2005 verabschiedete UNESCO-Konvention gegen Doping und den Welt Anti-Doping Code. Diese Dokumente wie vergleichbare Ansätze auf europäischer Ebene zeigten, dass ein international harmonisiertes Regelwerk geschaffen werden könne. Dabei müsse es sich, so der Stuttgarter Anwalt, nicht zwangsläufig um einen völkerrechtlichen Vertrag handeln. Das Beispiel des Welt Anti-Doping Codes zeige, dass auch in einer internationalen Public Private Partnership aus Staaten und Sportorganisationen effektive Kodifizierungen entstehen können.
Arbeitsrecht im Sport
Der Deutsche Richterbund hält es für notwendig, „die Rechtsverhältnisse von Sportlern mit ihren Vereinen und Verbänden als arbeitsrechtliche Verträge anzuerkennen und unter das deutsche und europäische Arbeitsrecht zu stellen.“ Bei dieser Forderung fällt auf, dass nicht nur die Rechtsverhältnisse von Mannschaftssportlern, sondern offenbar auch die von Einzelsportlern als Arbeitsrechtsverhältnisse eingeordnet werden sollen. Dies überrascht mit Blick auf die herkömmliche Definition eines Arbeitnehmers, die neben einer Weisungsgebundenheit auch eine Betriebseingliederung verlangt. Ein Einzelsportler, der sein Training und seine Wettkampfteilnahme selbst organisiert, ist auch dann, wenn er Mitglied eines Vereins ist, regelmäßig weder den Weisungen des Vereins unterworfen noch in dessen betriebliche Abläufe integriert.
Causa Müller gegen Mainz 05
Anders verhält es sich bei Mannschaftssportlern, die in einer Vereinsmannschaft an einem regelmäßigen Trainings- und Wettkampfbetrieb in Form von Liga- und Pokalwettbewerben teilnehmen. Dort wird auch nach herkömmlicher Definition kaum zu bezweifeln sein, dass es sich um Arbeitnehmer handelt, für die sämtliche arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften gelten. Dies bestätigte das Arbeitsgericht Mainz jüngst in der „Causa Müller“: Der Torwart des Fußball-Bundesligisten FSV Mainz 05, Heinz Müller, hatte geltend gemacht, die Befristung seines Arbeitsvertrages sei unwirksam. Er konnte sich dabei nach Auffassung der Mainzer Richter auf die Regelungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes stützen, die eine Befristung ohne Sachgrund nur einmalig für einen Zeitraum von zwei Jahren zulassen. Da der Vertrag mit Müller aber über diese Laufzeit hinausging, wäre für die Befristung ein Sachgrund erforderlich gewesen, der im konkreten Fall nicht vorlag. Dies hatte zur Folge, dass das Beschäftigungsverhältnis unbefristet galt. Der FSV Mainz 05 hat gegen das Urteil Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt.
Sportler als Arbeitnehmer
Der Richterbund fordert die Geltung des Arbeitsrechtes auch im Verhältnis zwischen Sportler und Sportverbänden. Dies erscheint vor dem Hintergrund problematisch, dass die Athleten – namentlich die Mannschaftssportler – regelmäßig nur in die Abläufe ihres Vereins, nicht aber in die des Verbandes eingebunden sind. Jedenfalls solange sich das Rechtsverhältnis des einzelnen Sportlers gegenüber dem Verband auf die Beantragung und Erteilung einer Lizenz beschränkt, sind die herkömmlichen Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses – Weisungsgebundenheit und Betriebseingliederung – nicht erfüllt. Anderes mag gelten, wenn und soweit ein Sportler regelmäßig an Trainingslehrgängen und Wettbewerben teilnimmt, die vom Verband ausgerichtet werden. Auch insoweit geht die herrschende Rechtsprechung bislang aber davon aus, dass mit einer kurzfristigen Teilnahme etwa an einem Länderspiel noch kein Arbeitsverhältnis zwischen dem einzelnen Sportler und dem Verband begründet wird. Vielmehr bleibt der Sportler Arbeitnehmer seines Vereins und wird auf dessen Weisung hin vorübergehend an einem anderen Arbeitsort tätig. Hintergrund ist, dass die Vereine gegenüber den Verbänden wiederum vertraglich oder satzungsrechtlich verpflichtet sind, Spieler zu Lehrgängen und Wettkämpfen der Nationalmannschaft abzustellen.
Schiedsfähigkeit von Sportler-Arbeitsverträgen
Unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsrechtes fordert der Deutsche Richterbund die Klarstellung, dass die im Sport üblichen Schiedsgerichtsverfahren nicht für arbeitsrechtliche Streitigkeiten gelten können. Dies entspricht der Regelung des § 101 Arbeitsgerichtsgesetz, der arbeitsrechtliche Streitigkeiten von einer Schiedsvereinbarung ausnimmt. Eine Alternative wäre, in einem Tarifvertrag die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zu vereinbaren. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Gesetzgeber in § 101 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz neben Künstlern auch professionelle Sportler in den Katalog der Berufsgruppen aufnimmt, die durch Tarifvertrag die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vereinbaren können. Hieran fehlt es bislang. Dabei wäre der Abschluss von Tarifverträgen durchaus eine Option, den Besonderheiten des professionellen Sports auf vielen Feldern Rechnung zu tragen. Dies gilt nicht nur für die Schiedsgerichtsbarkeit: Auch die Befristung von Arbeitsverträgen ohne Sachgrund über die Dauer von zwei Jahren hinaus könnte durch Tarifvertrag geregelt werden. Dadurch könnten sportspezifische Regelungen geschaffen werden, ohne dass die grundsätzliche Geltung des Arbeitsrechts in Frage gestellt würde.
Parallelität von sportrechtlichen und staatlichen Verfahren
Der Deutsche Richterbund geht in seiner Stellungnahme auf das Verhältnis zwischen den sportrechtlichen Verfahren vor Schiedsgerichten einerseits und zeitgleichen staatlichen Ermittlungsverfahren und Strafverfahren ein. Da in beiden Verfahrensarten unterschiedliche Verfahrensregeln und Beweisgrundsätze gelten, müsste das Verhältnis der Prozesse zueinander geklärt werden. Es bestehe ein „Gefälle zwischen der Ausgestaltung der Verfahrensordnung des Sportrechts […] und den Schutzgarantien der Strafprozessordnung“. Dies sei die zwangsläufige Folge der Besonderheiten der sportrechtlichen Verfahren „mit einer Einschränkung der Unschuldsvermutung durch eine Beweislastumkehr und mit einem faktischen Einlassungszwang“ für den Sportler. Demgegenüber stünden die Schutzgarantien der Strafprozessordnung für den Beschuldigten, die es zu wahren gelte. Es bestünden daher Bedenken gegen einen Transfer der in sportrechtlichen Verfahren erlangten Einlassungen und Aussagen der Athleten in einen Strafprozess. Der Deutsche Richterbund weist aber zugleich einen Weg zur Lösung dieser Frage: Der Gesetzgeber könne, vergleichbar zu Angaben des Beschuldigten aufgrund verwaltungs- und insolvenzrechtlicher Auskunftspflichten ein Verwertungsverbot statuieren. Demnach dürften nicht sämtliche Einlassungen eines Sportlers aus einem sportgerichtlichen Verfahren in einem Strafprozess verwertet werden.
Präjudiz für staatliches Strafverfahren?
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) äußert in seiner Stellungnahme zum Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes vom Februar 2015 Bedenken: Wenn ein Athlet vom Verband gesperrt, vom staatlichen Strafgericht aber freigesprochen würde, wäre dies eine Vorlage für einen Schadensersatz des Athleten gegen den Verband. Der DAV befürchtet, dass sich „das Strafgericht zur Vermeidung dieses Resultates das Ergebnis der Beweiswürdigung durch das Schiedsgericht entgegen seiner Aufklärungspflicht zu eigen macht“.
Der DAV geht in seiner Stellungnahme nicht darauf ein, dass auch nach derzeitiger Rechtslage sportgerichtliche Sanktionsverfahren und staatliche Strafprozesse parallel verlaufen: So kann etwa die Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung ermitteln, wenn ein Spieler einen anderen durch ein grobes Foul verletzt hat. Dies hindert die Sportgerichtsbarkeit nicht, den Spieler wegen einer Roten Karte zu sperren. Bislang ist nicht bekannt, dass ein Strafrichter die Spielsperre durch den Sportverband unbesehen übernommen und den Betroffenen auf dieser Grundlage verurteilt hätte, um eine Diskrepanz zwischen sportgerichtlichem und staatlichem Verfahren zu vermeiden. Auch der Umstand, dass ein zivilrechtliches Verfahren anders ausgeht als ein Strafverfahren, ist tägliche Praxis. Es ist nicht ersichtlich, dass sich Strafrichter in ihrer Entscheidung davon leiten lassen, ob im Falle eines Freispruchs Schadensersatzansprüche des Beschuldigten möglich sind. Zudem bedeutet ein Freispruch im Strafverfahren aufgrund der hohen Beweisanforderungen und des Grundsatzes „in dubio pro reo“ nicht, dass ein anschließender, zivilrechtlicher Schadensersatzprozess aussichtsreich wäre. Vielmehr muss der Betroffene in jedem Einzelfall die Voraussetzungen eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs darlegen und beweisen. Der bloße Freispruch im Strafverfahren hilft ihm dabei nicht.
Schiedsvereinbarungen zwischen Verbänden und Sportlern
Der Deutsche Richterbund äußert sich auch zur geplanten Regelung im Anti-Doping-Gesetz, wonach Sportler und Sportverbände Schiedsvereinbarungen schließen können. Der DRB (http://www.drb.de/cms/index.php?id=899) hält es nicht für zwingend, in einem Anti-Doping-Gesetz das sportrechtliche Verfahren mit einer ausdrücklichen Anerkennung von Schiedsgerichten aufzuwerten. Jedenfalls müsse die Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen im Sport im Hinblick auf rechtsstaatliche Mindestanforderungen sorgfältig geprüft werden. Dies gelte nicht zuletzt mit Blick auf das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 15. Januar 2015: Das Gericht hatte im Schadensersatzprozess der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein gegen den Eisschnelllauf-Weltverband (ISU) Schiedsvereinbarungen für unwirksam erklärt, wenn sie zur Voraussetzung der Teilnahme an eine Wettbewerb des Monopolverbandes gemacht werden und den Internationalen Sportschiedsgerichtshof (Court of Arbitration for Sport) in seiner jetzigen Ausgestaltung als letzte Schiedsgerichtsinstanz vorsehen.
Diese Auffassung teilt auch der Deutsche Anwaltverein: Nachdem das Oberlandesgericht München bereits Anforderungen an die Besetzung und die Unabhängigkeit von Schiedsgerichten formuliert habe, solle man die Beurteilung des Bundesgerichtshofs in diesem Falle abwarten. Es sei durchaus möglich, dass noch weitere Vorgaben für Schiedsvereinbarungen im Sport gemacht würden. So müssten aus Sicht des DAV internationale Schiedsverfahren strukturell und institutionell so ausgestaltet sein, dass sie rechtsstaatlichen Anforderungen genügen.
Kodifizierung des Sportrechts
Der Deutsche Richterbund begrüßt im Grundsatz – bei konkreten Verbesserungsvorschlägen im Einzelfall – eine gesetzliche Regelung zur Bekämpfung des Dopings. Zugleich macht er deutlich, dass der Gesetzgeber mit Blick auf den Regelungsbedarf im Sportrecht „ein eher nachrangiges Problem“ aufgegriffen habe. Das geplante Anti-Doping-Gesetz könne „eine umfassende rechtliche Regelung des Sports nicht ersetzen“. Der Deutsche Richterbund spricht damit den Umstand an, dass zahlreiche gesetzliche Regelungen nicht (mehr) zum heutigen Profisport passen. So verstoßen etwa Sportler bei internationalen Sportwettbewerben regelmäßig gegen arbeitsrechtliche Schutzvorschriften, etwa die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes. Auch die Probleme beim Abschluss von Schiedsvereinbarungen oder die verbandsrechtlichen Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit belegen den grundlegenden Regelungsbedarf. Diesen Aspekt thematisierten der Sportredakteur Tobias Schall und die Anwälte Christoph Wüterich und Marius Breucker in ihrem Debattenbeitrag unter dem Titel „Raus aus dem Schatten“ in der Stuttgarter Zeitung im Januar 2015. Ziel müsse ein „internationaler Code des Sports sein, der Standards und Rahmenbedingungen des modernen Sports festlegt“, so die Stuttgarter Autoren.
Der Deutsche Richterbund schlägt in seiner Stellungnahme über eine solche Kodifizierung hinaus vor, dass sich die Spitzenverbände aller Sportarten „überzeugenden Compliance-Regelungen zur Bekämpfung der Korruption in den eigenen Reihen unterworfen und sich notwendigen Ermittlungsverfahren der Strafverfolgungsbehörden stellen“. Dies sei notwendig, um dem Sport über die Bekämpfung des Dopings hinaus einen wirksamen rechtlichen Rahmen zu geben. Die Debatte um ein zeitgemäßes Recht des Sports ist mit dem Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes, so scheint es, erst eröffnet.